Ich war bei der Post angestellt, wurde überall eingesetzt und das letzte Jahr 1945 war ich in Eisenkappel. Ich dachte, dass mir nie etwas passieren könnte, weil ich auch nie etwas Falsches tat. Ich war jedoch vorher in Klagenfurt beschäftigt. Dort war bei der Paketannahme auch eine Frau aus Eisenkappel beschäftigt, die mich, wie ich später in Erfahrung brachte, stets verunglimpfte (ich würde z.B. Privatgespräche führen), weswegen ich auch etliche Male zum Chef zitiert wurde. Bald wurde ich nach Eisenkappel versetzt, dachte eigentlich nicht mehr an das Geschehene und am 08. Mai wurden meine Mutter und ich um ½ 4 Uhr Früh verhaftet.
Wir mussten alles zurücklassen und wurden ins Schloss gebracht, wo auch schon andere Leute waren, darunter waren auch Partisanen. Nach drei Tagen im Schloss kamen Engländer mit Panzern vorbei. Den Engländern wurde versprochen, dass wir am nächsten Tag freigelassen würden. Ohne weitere Fragen zu stellen, zogen die Engländer dann weiter. Gegen 22.00 Uhr des gleichen Tages kam die Aufforderung: Auf, wir gehen nach Hause“. Es waren drei Lastautos mit Planen bereitgestellt. Man pferchte uns in die Wägen, wie viele Personen wir waren, kann ich nicht sagen, die Autos waren jedoch alle mit Leuten vollgestopft. Mit den Lastwägen brachte man uns dann nach Eberndorf. Von Eberndorf ging es nach Prevali (Prävali), von dort wieder zurück nach Eberndorf, dann nach Bleiburg, dort wurden auch Bleiburger verhaftet. Weiter, wieder nach Prevali und dann nach Hirschenau. Wir waren insgesamt 3 Wochen unterwegs.
In Hirschenau waren wir nur einen Tag. Nachts um zirka zwei, drei Uhr, kamen sie dann mit einer Kerze und lasen uns die Namen derer vor, die auf der Liste rot unterstrichen waren. Es waren die Namen jener Menschen, die schließlich im Lieschagraben umgebracht wurden. Morgens wurden wir mit Wagen wieder nach Preverli gebracht, dort kam auch die Familie Leitgeb zu uns dazu. Alle drei Personen der Familie Leitgeb wiesen sich als Mitglieder der österreichischen Freiheitsbewegung aus. Der jüngste Leitgeb blieb bei uns und die anderen beiden sind trotz ihres Ausweises direkt ins Marburger Gefängnis gebracht worden. Dann wurden wir nach Gutenstein gebracht. Nach zwei Tage schaffte man den Walter Leitgeb und eine Frau aus Eisenkappel weg. Walter war krank und schwächlich. Später erfuhren wir, dass die beiden im Wald umgebracht wurden. Das ganze spielte sich so um den 25. Mai herum ab.
Wir wurden nach Sterntal gebracht. In Baracken, die für 16 bis 20 Personen vorgesehen waren wurden gleich 60 Personen gepfercht. Drei Tage lang waren wir dort ohne Essen. Abends, gegen 23.00 Uhr wurden überall die Balken geschlossen und danach hörten wir es nur noch knallen. Meine Mutter schaute nach, was da vor sich ging und sah wie die Partisanen mit einem langen Leiterwagen durch unsere Barackengasse zurückkamen. Der Leiterwagen war vollgepfercht mit erschossenen Männern. Gegen Morgen brachten sie nochmals eine Fuhre. Wir hatten einen eigenen Kommissar und der sagte uns, wir kämen nach Hause, wenn wir in Feldkirchen wären.
Es war furchtbar. In der Früh bekamen wir eine Kümmelsuppe (lauwarmes Wasser mit Kümmel und lange Zeit 5 Deka Brot.) Erst im Juli als die Engländer oder Amerikaner zur Kontrolle kamen, kriegten wir Nudeln einfach im Wasser gekocht und das war unser Essen.
Wie lange ward Ihr im Sterntal?
Ich weiß es nicht mehr genau, die Fahrscheine habe ich verlegt. Einen Zettel habe ich noch gefunden, wegen Typhus haben wir einen Ausweis bekommen.
Seid ihr gegen Typhus behandelt worden?
Ich glaube wir sind geimpft worden ich weiß es nicht ganz genau.
Wie war damals in Sterntal der Tagesablauf?
Wir haben nichts zu Essen gehabt, mussten den ganzen Tag hinaus. Da war so eine Waschanlage aus der immer schwarzer Rauch herauskam. Dort mussten wir stehen, bis fünf Uhr abends, erst dann wurden wir wieder ins Lager getrieben. Wenn einer zusammenbrach wurde er weggetragen, was mit dem passierte, weiß ich nicht.
Geschah dass Tag für Tag?
Nein, sie erfanden immer wieder andere Strafen. Wenn wir zum Beispiel zu spät aufstanden. Einmal musste ich 10 mal um die Baracke laufen so gut ich eben konnte. Nach der sechsten Runde bin ich zusammengebrochen. Oft wurden zwischen zwei Baracken kreuz und quer Stricke gespannt und da mussten dann die Männer drüberspringen. Und wenn einer nicht mehr konnte, wurde er geschlagen. Ein junger Grazer Student, ein Ingenieur, der schaffte es nicht und der wurde daraufhin erschlagen. In der Nacht hatten wir keine Ruhe, wir mussten aufstehen und uns versammeln. Auf einem Turm standen Männer mit Maschinenpistolen, rundherum standen wir.
Hat man Ihnen nie gesagt warum Sie dort sein mussten?
Nein, einer fragte uns sogar einmal, warum wir überhaupt da seien. Wir sagten wir wüssten es nicht. In Eisenkappel sind Listen aufgestellt worden.
Wer hat diese Liste gemacht?
Na ja es kam heraus, dass die Arbeitskollegin vom Postamt in Klagenfurt, von der ich Anfangs erzählte dafür verantwortlich war.
Was waren das für Leute, die diese Liste erstellt haben?
Ich will nicht haben, dass das von mir ausgeht.
Wir werden keine Namen erwähnen das brauchen wir nicht!
Slowenische Nachbarinnen von uns halt, zwei leben heute noch. Die kamen halt im Wald zusammen, und wer ihnen nicht passte, kam auf die Liste.
Was haben diese Frauen im Wald gemacht?
Sie haben halt Partisanen gebraucht, weil im Dorf keine Männer zu kriegen waren.
Wie ging es im Sterntal weiter?
Meine Mutter knüpfte immer wieder Beziehungen, damit sie etwas erfährt. Und da war eine junge Wienerin, die war beim Arbeitsdienst und die kam und sagte: Frau Sila, euer Kommissar hat jetzt Urlaub. Gehen sie hin, sagen sie aber nicht, dass sie aus Kärnten sind. Meine Mutter trommelte gleich alle zusammen und es kamen gleich 12 Leute zusammen.
Wir gingen dann hin, da saßen ein junger Bursch und ein junges Mädchen aus Laibach. Die fragten uns nach unseren Namen erkundigten sich aber nicht, was vorher schon von uns aufgenommen wurde. Von wo kommen Sie, fragte man uns. Wir antworteten aus der Steiermark und bekamen daraufhin unsere Fahrscheine. Danach gingen wir zu einem Platz, wo schon viele Menschen waren und dort warteten wir den ganzen Tag. Abends wurden wir dann südlich von Cilli am Verschiebebahnhof in Kohlewaggons verfrachtet und in der Nacht lieferte man uns weiter. Zuerst bis Laibach, da standen wir den ganzen Tag. Von Laibach kamen wir dann nach Assling und dort war ebenfalls ein großer Verschiebebahnhof. Dort wurde gerade ein Fest der Befreiung gefeiert und da brachten sie uns bis vier Uhr Früh in einen Vereinssaal.
Danach wieder in die Kohlewaggons und langes Warten. Und endlich, nach fast endloser Warterei ist der Zug weitergerollt und wir landeten in Rosenbach. In Rosenbach waren die Engländer, die kümmerten sich überhaupt nicht um uns. Abends brachten sie uns nach Villach. In Villach half uns dann der Bäckermeister Bieber, er war unser Nachbar in Eisenkappel. Er half uns, nach Klagenfurt zu kommen und dann waren wir gerettet.
Wusstet Ihr schon früher, dass die Partisanen kommen, hattet Ihr Angst, dachte niemand daran vorher wegzugehen?
Keine Antwort.
Meine Mutter, sie war eine agile Geschäftsfrau, tat immer nur Gutes. Für die Bevölkerung aus den Gräben, es waren so viele Mensch, für die hat meine Mutter immer etwas gehabt. Ich war die meiste Zeit in Jugoslawien auf der Post, war einmal da und einmal dort. In Rattmannsdorf war ich einmal eine Zeit, da war auch alles ausgesiedelt. Da schickte man mich auch beinahe nach Dachau, weil ich für die Leute gesprochen habe. Ich glaube ich war damals zu dumm um zu verstehen. Ich war eine politische Null. Ich war damals auch bei keiner Partei, ich hatte ja nie Zeit für so was.
Die Leute, die diese Liste machten, die sind ja auf der Seite der Partisanen und Jugoslawen gestanden?
Ja sicher, es ist noch heute alles lebendig, der eine weiß vom anderen, was er ihm angetan hat.